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Unterbrechung der Eigentümerversammlung

BGH, Urteil vom 08.07.2016; V ZR 261/15

Sachverhalt

In einer Eigentümerversammlung im Juli 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die Wiederbestellung des Verwalters. Auf die Anfechtungsklage eines Eigentümers erklärte das Amtsgericht den Beschluss für ungültig. Der Verwalter hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
In einer Eigentümerversammlung im März 2014 standen eine Erörterung und gegebenenfalls
Beschlussfassung über das weitere Vorgehen in dem anhängigen Rechtsstreit auf der Tagesordnung. Außerdem sollte über einen Zweitbeschluss zur Wiederbestellung des Verwalters abgestimmt werden. An dieser Versammlung nahm auch einer der beiden Kläger teil.
Der Verwalter berichtete zunächst über den Stand des gerichtlichen Verfahrens. Dann rief er den Anwalt hinein, der die beklagten Eigentümer – bis auf zwei – im Anfechtungsverfahren vertrat, damit dieser ein Mandantengespräch mit den anwesenden Eigentümern führen könne. Der Anwalt forderte den Anfechtungskläger und die beiden Eigentümer, die er nicht vertrat, dazu auf, den Versammlungsraum zu verlassen. Daraufhin unterbrach der Versammlungsleiter die Versammlung und verließ den Saal. Auch der Anfechtungskläger und die beiden anderen Wohnungseigentümer verließen, allerdings unter Protest, den Raum. Später wurde die Versammlung in Anwesenheit der zuvor aus dem Saal geschickten Eigentümer sowie des Versammlungsleiters fortgeführt und nach erneuter Diskussion die Wiederbestellung des Verwalters beschlossen.
Auch gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungsklage. Er stützte diese zunächst darauf, dass der Verwalter in der Vergangenheit Fehlverhalten an den Tag gelegt habe. Erst in der Berufungsinstanz machte er geltend, er sei zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen worden.

Entscheidung

Der BGH stuft die Unterbrechung der Versammlung als unrechtmäßig ein. Trotzdem hat die Anfechtungsklage keinen Erfolg, denn der Kläger hat den Fehler nicht rechtzeitig innerhalb der
Anfechtungsbegründungsfrist (innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung) gerügt. Zwar war der Kläger durch den zeitweiligen Ausschluss von dem Gespräch mit dem Anwalt nicht in seinem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung beschnitten worden, da diese Unterredung nicht Teil der Eigentümerversammlung war, weil der Verwalter diese formal unterbrochen hatte. Allerdings war die Unterbrechung der Eigentümerversammlung ermessensfehlerhaft. Der Versammlungsleiter darf die Eigentümerversammlung unterbrechen, wenn dies ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung entspricht. Er entscheidet über die Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei muss die Unterbrechung auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkt werden.
Die Unterbrechung einer Eigentümerversammlung, um den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versammlung. Die Eigentümer haben zwar ein Interesse an rechtlicher Beratung. Normalerweise reicht es aber, wenn sie sich mit ihrem Anwalt zeitlich unabhängig von der Versammlung besprechen können. Nur bei besonderen Umständen kann eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengespräches in Betracht kommen, etwa wenn Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Versammlung geführten Diskussion entsteht. Solche besonderen Umstände lagen hier aber nicht vor.
Damit fehlte es nicht nur an einem sachlichen Grund für eine Unterbrechung. Vielmehr konnte bei den ausgeschlossenen Eigentümern der Eindruck entstehen, dass der Verwalter einseitig die Interessen einer Eigentümergruppe wahrnimmt und damit gegen seine Neutralitätspflicht verstößt. Zudem war die Unterbrechung nicht vorab auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung, ohne die Unterbrechungsdauer vorher zumindest ungefähr festzulegen, ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.

Allerdings kann offen bleiben, ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der Eigentümerversammlung hier zur Folge hat, dass der im Anschluss an die Unterbrechung gefasste Beschluss anfechtbar ist. Der Kläger hat diesen Fehler nämlich erst in der Berufungsinstanz und damit nicht innerhalb der Frist für die Begründung der Anfechtungsklage gerügt.
Der Beschluss war auch nicht nichtig, da auch eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausreichen würde, um die Nichtigkeit eines Beschlusses zu begründen.

Praxishinweis

Die Eigentümerversammlung darf nur dann unterbrochen werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Anderenfalls besteht die Möglichkeit der Anfechtung von Beschlüssen. Wann aber ein Beschluss dann für ungültig zu erklären ist, hat der BGH hier offen gelassen, da diese Frage nicht entscheidungserheblich war.

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