Drittschadenliquidation nach einstweiliger Beschlussaussetzung
Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses erwirkt, so können die übrigen Wohnungseigentümer gegen die die einstweilige Verfügung unter der Geltung des bis zum 30. November 2020 anwendbaren Rechts ergangen ist, den der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Beschlussaussetzung entstandenen Schaden aufgrund eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt verlangen.
BGH, Urteil vom 21.04.2023; V ZR 86/22
Sachverhalt
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft gab im April 2015 Sanierungsarbeiten an den Balkonen in Auftrag. Grundlage war ein zuvor gefasster Sanierungsbeschluss. Ende April 2015 erwirkte eine Wohnungseigentümerin eine einstweilige Verfügung gegen die übrigen Eigentümer, mit der der Sanierungsbeschluss ausgesetzt und ein Baustopp angeordnet wurde. Die einstweilige Verfügung wurde vom Amtsgericht Ende Mai 2015 wieder aufgehoben, was das Landgericht im September 2015 bestätigte. Die beauftragten Unternehmen führten die Arbeiten schließlich durch und stellten der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen der Verzögerung Mehrkosten von 11.200,00 € in Rechnung, die die Gemeinschaft auch zahlte. Die Wohnungseigentümer klagten gegen die Eigentümerin, die die einstweilige Verfügung erwirkt hatte, auf Erstattung der gezahlten Mehrkosten an die Gemeinschaft. Amts- und Landgericht gaben der Klage statt.
Entscheidung
Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Anspruch auf Erstattung der verzögerungsbedingten Mehrkosten ergibt sich aus § 945 ZPO. Danach muss derjenige, der eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, die sich als von Anfang an unberechtigt herausgestellt hat, dem Gegner den Schaden erstatten, der durch den Vollzug der einstweiligen Verfügung entstanden ist. Aufgrund der vom Landgericht bestätigten Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch das Amtsgericht steht fest, dass die einstweilige Verfügung von Anfang an unberechtigt war. Nach der bis zur WEG-Reform geltenden Rechtslage, die diesem Fall noch zugrunde lag, waren die Wohnungseigentümer Inhaber eines Ersatzanspruchs nach § 945 ZPO, da sie die Adressaten der Anfechtungsklage und der einstweiligen Verfügung gewesen sind, auch wenn der Schaden – wie hier – nicht bei ihnen, sondern bei der Gemeinschaft eingetreten sein sollte. Die Eigentümer konnten den Schaden der Gemeinschaft nach den Grundsätzen einer so genannten Drittschadensliquidation geltend machen. Ein Schaden der Gemeinschaft entfällt auch nicht, wenn die Sanierungskosten in den nachfolgenden Jahresabrechnungen bereits vollständig gegenüber den Wohnungseigentümern abgerechnet und von diesen Sonderzahlungen geleistet worden sind. Da die Gemeinschaft über eigenes Vermögen verfügt, tritt bei Vermögensabflüssen in ihrem Vermögen ein Schaden ein. Die Frage, ob und in welchem Umfang die insoweit angefallenen Kosten im Rahmen der Jahresabrechnung auf die Wohnungseigentümer umgelegt wurden, betrifft lediglich das Innenverhältnis der Gemeinschaft zu den Wohnungseigentümern und lässt die Entstehung des Schadens im Außenverhältnis zu einem möglichen Schädiger unberührt.
Fazit
Seit der WEG-Reform kann es zu einer solchen zufälligen Schadensverlagerung nicht mehr kommen, weil Anfechtungsklagen nicht mehr gegen die übrigen Eigentümer, sondern die Gemeinschaft zu richten sind, wie sich aus § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ergibt. Deshalb ist eine auf Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses abzielende einstweilige Verfügung nun gegen die Gemeinschaft zu richten. Diese ist auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO, so dass Anspruch und Schaden nicht mehr auseinanderfallen.