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Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Flüchtlingen

VG Lüneburg, Beschluss vom 9.10.2015, Az. 5 B 98/15 (bestätigt durch Beschluss
des OVG Lüneburg vom 01.12.2015, 11 ME 230/15)

Sachverhalt

Der Eigentümer eines Gebäudekomplexes, für das er konkrete Abrissabsichten zur Errichtung
neuer Wohnungen hegt, erhält eine auf sechs Monate befristete Verfügung über die
Beschlagnahme des Grundstücks sowie die Einweisung von 50 Flüchtlingen. Eine
Entschädigung wird festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Das Verwaltungsgericht Lüneburg lehnt die Beschlagnahme ab, diese sei nur als „letztes
Mittel“ möglich. Eine spezialgesetzliche Regelung zur Unterbringung von Flüchtlingen bestehe
– bis auf in Hamburg und Bremen – bisher in keinem Bundesland. Dem daraus folgenden
Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel ist aufgrund des schweren Eingriffs in die
Eigentumsfreiheit enge Grenzen gesetzt. Demnach ist eine Beschlagnahme nur möglich,
sofern das Land hinreichend darlegen kann, die drohende Obdachlosigkeit von Flüchtlingen
nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren zu können. Somit seien jegliche
Möglichkeiten einer Unterbringung in Jugendherbergen, Ferienwohnungen, Hotelzimmern oder
unter strengeren Voraussetzungen auch Turnhallen auszuschöpfen. Die wirtschaftliche
Mehrbelastung dürfe hierbei keine wesentliche Rolle spielen. Beachtet werden müsse lediglich,
dass der Maßstab an eine menschenwürdige Unterbringung gewahrt bleibe. Die Stadt verfüge
nebenher über eine Jugendherberge sowie Turnhallen, sodass sie diese bestehenden
Alternativen vorzuziehen habe.

Praxishinweis

Ohne spezielle gesetzliche Regelungen bleibt eine Beschlagnahme von Privateigentum die absolute Ausnahme, die sogenannte „ultima ratio“. Es bleibt jedoch zu erwarten, dass neben Hamburg und Bremen weitere Bundesländer nachziehen und spezielle Gesetze schaffen. Ansätze dafür gibt es zum Beispiel schon in Niedersachsen, Berlin und Brandenburg. Je nach Ausfertigung wird es dann, wie es in Hamburg und Bremen bereits seit Oktober letzten Jahres der Fall ist, leichter sein, leerstehende Gewerbeimmobilien zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringung zu beschlagnahmen. Auch diese Eingriffe müssen allerdings eine zeitliche Befristung enthalten sowie eine angemessene Entschädigung vorsehen. Ein Trost bleibt: Wohnraum soll von der Beschlagnahme nach Möglichkeit ausgenommen bleiben.

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