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Mietminderungsrecht bei Umweltmängeln

BGH, Urteil vom 29.04.2015, VIII ZR 197/14

Sachverhalt

Die beklagten Mieter kürzen ihre Miete in Höhe von 20 % wegen Lärmstörungen, ausgehend
von dem Nachbargrundstück. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich ein Schulgelände.
Dort wurde im Jahr 2010 in 20 m Entfernung zur Terrasse der Mieter ein Bolzplatz errichtet,
der für Kinder im Alter bis zu 12 Jahren in den Zeiten montags bis freitags bis 18:00 Uhr zur
Benutzung offen steht. Das Landgericht Hamburg hat nach Durchführung einer
Beweisaufnahme die Mietminderung für gerechtfertigt gehalten und die Zahlungsklage der
Vermieter abgewiesen.

Rechtlicher Hintergrund

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert, oder ein Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von dem vertraglich vorausgesetzten geschuldeten Zustand abweicht. Der geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch sogenannte „Umweltfehler“ sein, wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Fehlen Parteiabreden über die Beschaffenheit der Mietsache, bestimmt sich der vertragsgemäße Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszweckes und des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nach der Verkehrsanschauung (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12). In der Instanzrechtsprechung und Literatur sind die Maßstäbe an eine Hinnahme von nachträglich entstehenden oder sich vergrößernden Geräuschimmissionen auf die Mietsache durch Dritte allerdings umstritten. Teilweise wird darauf abgestellt, ob der Mieter bei Vertragsabschluss bereits konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt bestimmter Geräuschimmissionen hatte, also damit rechnen musste; nach anderer Auffassung wird schon nicht jede nachteilige Veränderung des Wohnumfeldes und der Geräuschsituation als Mangel der Mietsache angesehen. Der Mieter müsse grundsätzlich in Rechnung stellen, dass es in seinem Umfeld zu Veränderungen kommen könne. Es sei deshalb zu fragen, ob der Mieter bestimmte Eigenschaften seines Wohnumfeldes als unveränderlich habe voraussetzen dürfen oder er mit bestimmten nachteiligen Änderungen -etwa wegen einer bestehenden Gemengelage – habe rechnen müssen.

Entscheidung

Der BGH verneint – im Gegensatz zum Landgericht Hamburg – eine schlüssige Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien. Diese läge nur vor, wenn der Vermieter aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfängerhorizont erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer eines bei Vertragsabschluss bestehenden Umstandes über die gesamte Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genüge nicht. Bei Lärmimmissionen von öffentlichen Straßen oder Nachbargrundstücken sei außerdem der beiden Parteien bekannte Umstand zu berücksichtigen, wonach der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf habe, dass die ursprünglichen Verhältnisse unverändert fortbestünden. Der Mieter könne daher im Allgemeinen gerade nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand derartiger Umweltbedingungen übernehmen wolle. Ohne Beschaffenheitsvereinbarung läge ein Mangel bei nachträglich erhöhten Geräuschimmissionen durch Dritte nicht vor, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsse. Im Rahmen einer Auslegung des Mietvertrages könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien – hätten sie bei Vertragsschluss die späteren Geräuschimmissionen bedacht – davon ausgegangen wären, dass der Vermieter den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard
ungeachtet der nachbarrechtlichen Duldungspflichten unverändert hätte gewährleisten müssen. Denn damit wäre der Vermieterseite eine Erhaltungspflicht abverlangt worden, deren Erfüllung tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich gewesen wäre. Der BGH weist den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Dieses habe nun aufzuklären, nach welchen Lärmschutzstandards sich die Wesentlichkeit der behaupteten Immissionen bestimmt, insbesondere ob es sich um einen Kinder- oder Ballspielplatz im Sinne des § 22 Abs. 1 a BImSchG handele und ob die Vermieterin die Geräuschimmissionen gegenüber dem Nachbargrundstück zu dulden habe oder ob ihr ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehe.

Praxishinweis

Der BGH schränkt mit dieser Entscheidung den Begriff des Mangels weiter ein. Es wird noch
zu klären sein, wer von den Vertragsparteien darlegen und beweisen muss, dass dem Vermieter der vom BGH vorausgesetzte nachbarrechtliche Abwehr- oder Entschädigungsanspruch gemäß § 906 BGB zusteht. Für das Vorhandensein eines Mangels trägt bisher der Mieter die Darlegungs- und Beweislast. Will sich der Mieter seine Rechte für spätere Umwelteinwirkungen sichern, muss er auf eine Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag hinwirken. Hier ist allerdings schon fraglich, ob dies bei Verhandlungen über einen Neuabschluss realistisch durchsetzbar ist.

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